Wie groß muss ein Selbstversorgergarten sein?

Kann ich mich aus meinem eigenen Garten bzw. von meinem Grundstück ernähren? Habe ich genügend Fläche? Ein Fragenkomplex mit dem sich gerade Anfängerinnen und Anfänger häufig schier endlos herumplagen.

Ein Grund dafür könnte sein, dass der individuelle Platzbedarf hochgradig unterschiedlich ausfällt und von einer Vielzahl schwer kalkulierbarer Faktoren abhängt:

Lokales Klima

In tropischen Ländern fällt es normalerweise ziemlich leicht, sich vollständig von eigenen Produkten ernähren. Die jahreszeitlichen Wechsel entfallen und es steht eine geradezu endlose Auswahl an Nutzpflanzen zur Verfügung.

Weiter im Norden sieht die Geschichte aber schon anders aus. Es hat einen Grund, warum sich die Inuit traditionell fast ausschließlich von Robben, Fisch und Walen ernähren.

Aber nicht nur die generelle Klimazone, in welcher sich der eigene Garten befindet, hat großen Einfluss. Gerade auch das lokale Mikroklima kann erhebliche Unterschiede ausmachen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Insel Mainau im Bodensee.

Das kleine Eiland bei Konstanz lockt mit subtropischer und teilweise sogar tropischer Vegetation jedes Jahr mehr als eine Million Besucher an, obwohl es mehr oder minder auf gleicher geographischer Höhe liegt wie Bregenz oder Feldkirch, Orte an denen selbst ganz normaler Weinbau schon eine echte Herausforderung darstellt.

Verfügbarkeit von Wasser

Trockenperioden können in Europa überall und jederzeit auftreten. Zwar lassen sich die Folgen des Klimawandels noch sehr schwer abschätzen, er führt aber ganz allgemein zu stärker ausgeprägten Extremen, was sich auch in längeren, strengeren Dürren äußern könnte.

Die Verfügbarkeit von Wasser ist schon immer ein entscheidender Faktor für den Ertrag eines Gartens gewesen. Dabei spielt es primär keine Rolle, ob die ausreichende Bodenfeuchte „natürlich“ z.B. durch einen entsprechend hohen Grundwasserspiegel oder einen nahen Bach-/Flusslauf zustande kommt, oder durch Regen bzw. Bewässerung.

Ein geschickter Gärnter kann das Speichervermögen seines Bodens regulieren und wird natürlich auch bei der Sortenauswahl auf die zu erwartenden Bedingungen Rücksicht nehmen. Wunder lassen sich damit aber keine wirken.

Bodenqualität

Erde kommt von „Ausgelaugt, mehr Stein als sonstwas“ bis zu tiefreichendem, lockerem Humus in allen nur denkbaren Varianten daher. „Schlechten“ Boden gibt es eigentlich nicht, manche Varianten können aber jahrelange intensive Arbeit erfordern, bis sie brauchbare Erträge liefern.

Das geht so weit, dass es in manchen Regionen schlichtweg einfacher und etragreicher ist, lieber gleich nur Ziegen und Schafe zu halten, anstatt der Einöde schöne Tomaten abtrotzen zu wollen. 70% der Landmasse unseres Planeten sind für Ackerbau praktisch völlig ungeeignet und wurden genau deswegen von unseren Vorfahren mit Viehherden bewirtschaftet.

Auf die Frage, wie viel Grund und Boden notwendig ist, um eine Selbstversorger-Familie zu ernähren, wirken sich bereits geringfügige Unterschiede (z.B. zwischen reinem Lehm und sandigem Lehm) sehr stark aus.

Zusätzlich zu diesen Faktoren spielen auch noch die Verfügbarkeit von Sonnenlicht (ist das Grundstück z.B. durch Wald oder Gebäude beschattet?), die eigenen Nahrungspräferenzen und (wie bereits angeschnitten) das eigene gärtnerische Know-How eine erhebliche Rolle.

Also was ist die Antwort?

Ehrlich gesagt: Es gibt keine allgemeine Antwort. Oft kristallisiert sich der tatsächliche Bedarf von Selbstversorgerinnen und Selbstversorgern erst nach jahrelangen Experimenten heraus. Das Ergebnis ist ein komplexes Zusammenspiel von natürlichen Ressourcen und der Frage: „Wie weit bin ich bereit zu gehen, wie viel Mühe und Innovationsgeist kann und will ich investieren?“.

Der englische Autor John Seymour geht von rund zwei Hektar (20.000qm) als notwendiger Grundlage für eine echt autarke Landwirtschaft aus. Ab dieser Größenordnung ist neben dem Anbau von Gemüse und Grundnahrungsmitteln auch die Eigenversorgung mit Milch/Fleisch und Eiern realistisch möglich. Für eine Selbstversorgung mit begrenzten Zukäufen (also hauptsächlich die Eigenproduktion von Gemüse und Salat) wären demnach ca. 4.000 Quadratmeter notwendig.

Auf der anderen Seite gibt es Extrembeispiele gerade aus dem Bereich der urbanen Gärtnerinnen und Gärtner, welche bereits mit weniger als 2.000 Quadratmetern, dank vertikalem Anbau oder modernen Techniken wie Aquaponics, genügend Nahrung gewinnen um nicht nur die eigene Familie zu versorgen, sondern auch noch Gourmetrestaurants in der Umgebung mit Frischware zu beliefern.

Kaum irgendwo werden sich die Menschen mehr voneinander unterscheiden, als in ihrem persönlichen Flächenbedarf.

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